AUFBAU DER GÖTTLICHEN LITURGIE

Der Mys­te­ri­en­cha­rak­ter des or­tho­do­xen Got­tes­diens­tes ver­dich­tet sich in der gött­li­chen Lit­ur­gie, der Fei­er des gott­mensch­li­chen Mys­te­ri­ums schlecht­hin. Der Mit­voll­zug der Mys­te­ri­en­fei­er und die Teil­ha­be an den, wie der hei­li­ge Jo­han­nes Gold­mund (Chry­sosto­mos) es aus­drückt, hei­li­gen, ge­wal­ti­gen und schreck­li­chen Mys­te­ri­en for­dert vom Gläu­bi­gen eine ent­spre­chen­de Hal­tung so­wie be­son­de­re in­ne­re und äu­ße­re Vor­be­rei­tung. Auf lit­ur­gi­scher Ebe­ne ge­schieht dies durch die Mit­fei­er der Hei­li­gen Ves­per am Vor­abend, durch Fas­ten und Ent­hal­tung vor der Lit­ur­gie, durch wür­di­ge Klei­dung und Hal­tung so­wie durch den sorg­fäl­ti­gen Mit­voll­zug der hei­li­gen Ges­ten der An­be­tung und Ver­eh­rung. Die geis­ti­ge Ebe­ne wird in der Mys­t­ago­gie des hei­li­gen Ma­xi­mos des Be­ken­ners be­schrie­ben. Wäh­rend der Fei­er des Or­thros emp­fängt der dienst­ha­ben­de Pries­ter den Se­gen vom Abt und nimmt Zeit, d.h. er be­ginnt mit den Stu­fen­ge­be­ten. Dann voll­zieht der Pries­ter am Rüst­al­tar (Pro­the­sis) ei­nen be­son­de­ren Ri­tus zur Be­rei­tung der Gaben. 

1. Vorbereitung der Zelebranten

a) Zeit neh­men. Ge­be­te des Pries­ters, mit de­nen er sich, nach­dem er den Se­gen vom Abt emp­fan­gen hat, an der Bil­der­wand in meh­re­ren Schrit­ten auf den hei­li­gen Dienst vorbereitet.

b) Be­klei­dung der Pries­ter und Dia­ko­ne mit den hei­li­gen Ge­wän­dern im Dia­ko­ni­kon, was un­ter ent­spre­chen­den Ge­be­ten voll­zo­gen wird.

2. Zurüstung (Proskomidie)

a) Be­rei­tung der Op­fer­ga­ben. Brot und Wein wer­den un­ter Ver­ge­gen­wär­ti­gung des ein­ma­li­gen und un­wie­der­hol­ba­ren Op­fers Jesu Chris­ti zu­be­rei­tet. Da­bei wird aus dem Wei­he­brot der Mit­tel­teil, das Lamm, her­aus­ge­schnit­ten, auf den Dis­kos ge­legt und ri­tu­ell an­ge­schnit­ten (… wie ein Lamm ward Er zur Schlacht­bank ge­führt, …) so­dann Wein und Weih­was­ser in den Kelch ge­gos­sen (… ein Krie­ger durch­stach Sei­ne Sei­te mit ei­nem Speer, und so­gleich quol­len Blut und Was­ser hervor …)

b) Hin­zu­fü­gung wei­te­rer Teil­chen des Wei­he­bro­tes für die Mut­ter Got­tes, die En­gel und Hei­li­gen, den Alt­va­ter und den Bi­schof, für die­je­ni­gen le­ben­den und ver­stor­be­nen Gläu­bi­gen, die in den Ge­denk­bü­chern des Hei­lig­tums ver­zeich­net sind, so­wie für jene, für die ein­zel­ne Gläu­bi­ge Op­fer­zet­tel ab­ge­ge­ben haben.

c) Ver­hül­lung der Ga­ben. So­dann wer­den Kelch und Dis­kos mit kreuz­för­mi­gen Tü­chern und bei­des mit ei­nem grö­ße­ren Tuch, dem Wind, um­hüllt, was auf die dem mensch­li­chen Ver­stand und den äu­ße­ren Sin­nen un­er­kenn­ba­re Sei­te des Mys­te­ri­ums verweist.

d) Seg­nung und Weih­rauch. Schließ­lich setzt der Pries­ter das eine ewi­ge Op­fer und das lit­ur­gi­sche Ge­sche­hen und die Ge­den­ken und Für­bit­ten und alle Ga­ben zu­ein­an­der in Be­zie­hung und seg­net al­les mit dem Zei­chen des Kreu­zes und hei­li­gem Weihrauch.

WORTTEIL

3. Eröffnungsteil (Enarxis) mit Einzug

Ist ein Bi­schof zu­ge­gen, wird er zu­nächst von den üb­ri­gen Ze­le­bran­ten an der Tem­pel­tü­re in Emp­fang ge­nom­men und durch Nar­thex und Kö­nigs­tü­re in die Mit­te des Tem­pels ge­führt (meist et­was west­lich der Mit­te, mit­un­ter gleich an der Türe), wo dann alle wei­te­ren Ze­le­bran­ten den Se­gen von ihm emp­fan­gen. Der im Rang nächs­te nach ihm geht zum Al­tar und spricht den Ein­gangs­se­gen. Der Bi­schof bleibt bis zum Ein­zug am Ambo, wo er von Dia­ko­nen mit den hei­li­gen Ge­wän­dern be­klei­det wird.

Tri­ni­ta­ri­scher Ein­gangs­se­gen. „Ge­seg­net sei das ur­ewi­ge Reich des Va­ters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes, wie es war im An­fang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit.“

Gro­ße Für­bit­ten, ers­tes Priestergebet.

Ers­ter Wech­sel­ge­sang, i.d.R. Psalm 102. Fest­ta­ge ha­ben hier ei­ge­ne Psalmen.

Klei­ne Für­bit­ten. Zwei­tes Priestergebet.

Zwei­ter Wech­sel­ge­sang, i.d.R. Psalm 145. Fest­ta­ge ha­ben hier ei­ge­ne Psalmen.

Hym­nos O Ein­ge­bo­re­ner Sohn, Ewi­ges Wort …

Klei­ne Für­bit­ten. Drit­tes Priestergebet.

Drit­ter Wech­sel­ge­sang, die Se­lig­prei­sun­gen. Fest­ta­ge ha­ben hier ei­ge­ne Psalmen.

Ein­zug. Un­ter dem Ge­sang des „Ret­te uns, Sohn Got­tes, der du …(Fest­mot­to)“ zie­hen die Ze­le­bran­ten auf den Ambo in der Mit­te des Tem­pels, der heu­te meist nur noch durch eine ent­spre­chen­de mehr oder we­ni­ger kunst­vol­le Mar­kie­rung auf dem Fuß­bo­den an­ge­deu­tet ist. Da­bei trägt der Dia­kon das Evan­ge­li­ar. Der Haupt­ze­le­brant (Proes­tos, d.h. Bi­schof oder Abt oder der sonst rang­höchs­te Pries­ter) seg­net den Ein­zug.

Fest­ge­sän­ge. Der Chor singt die Hym­nen des Ta­ges und die Tro­pa­ri­en des Klos­ters bzw. des Tem­pels, zu­letzt den Hym­nos zur Mut­ter Got­tes „Hil­fe der Christen …“.

4. Lesungen

Pries­ter­ge­bet zur Ein­lei­tung des drei­hei­li­gen Hym­nos (Trisha­gi­on).

Der drei­hei­li­ge Hym­nos (Trisha­gi­on) wird im Wech­sel von Chor/Gemeinde und Al­tar ge­sun­gen, wo­bei nach je­der An­ru­fung die ent­spre­chen­de Ge­bets­hal­tung (Oran­ta) in ei­ner tie­fen Ver­beu­gun­gen (Me­ta­ni­en, Pros­ky­ne­sen) mün­det.

Wech­sel­ge­sang zur Ein­lei­tung der Le­sun­gen (Pro­ki­me­non, von gr. pro = vor und kei­me­non = Text, also: was vor dem Text steht). Das sind Psalm­ver­se, die der Vor­sän­ger ein­zeln vor­trägt, wo­bei der Chor den ers­ten Vers oder Halb­vers als Kehr­vers (Re­frain) singt. Das Pro­ki­me­non ist ge­wis­ser­ma­ßen ein „Mot­to“ für den Fest­ge­dan­ken des Tages. 

Le­sung aus der Apos­tel­ge­schich­te oder den apos­to­li­schen Briefen.

Al­le­lu­ja. Das Al­le­lu­ja wird von al­len ge­sun­gen, der Chor fügt zwi­schen den Al­le­lu­ja­ru­fen wie­der­um Psalm­ver­se ein. Da­bei weih­räu­chert der Vor­ste­her am Al­tar und, von der So­lea aus, die Bil­der­wand und die Gläubigen.

Frie­dens­gruß und Evan­ge­li­um. Der Dia­kon emp­fängt vom Vor­ste­her das Evan­ge­li­ar und trägt es in fei­er­li­cher Pro­zes­si­on zum Ambo in der Mit­te des Tem­pels, wo ein Schlan­gen­pult auf­ge­baut ist (… so wie Mose in der Wüs­te eine Schlan­ge er­höht hat, also muß des Men­schen Sohn er­hö­het wer­den …). Nach ent­spre­chen­den Seg­nun­gen und Ge­sän­gen im Wech­sel von Vor­ste­her und Ge­mein­de trägt der Dia­kon das Evan­ge­li­um des Ta­ges vor, und zwar im­mer in ei­ner be­son­de­ren, ri­tu­el­len Ge­sangs­art, dem so­ge­nann­ten Le­se­ton.

Ho­mi­lie. Nach der Rück­tra­gung des Evan­ge­li­ars seg­net der Vor­ste­her mit die­sem die Ver­samm­lung und er, oder ein an­de­rer Pries­ter, legt die Schrift aus. Da­bei soll ge­mäß der hei­li­gen Über­lie­fe­rung be­son­ders der geis­ti­ge Sinn ver­deut­licht werden.

Gro­ße all­ge­mei­ne Fürbitten.

Für­bit­ten­ge­bet für die Ka­techu­me­nen, sonn­abends au­ßer­dem be­son­ders für die Verstorbenen.

Ent­las­sung der Ka­techu­me­nen. Zur Fei­er der hei­li­gen Mys­te­ri­en be­ge­ben sich alle, die nicht im in­ne­ren Tem­pel blei­ben dür­fen (Ka­techu­me­nen, En­er­gu­me­nen, Un­vor­be­rei­te­te, An­ders­gläu­bi­ge usw.) in den Vor­tem­pel (Nar­thex). Sie neh­men dort aber gleich­wohl wei­ter am Got­tes­dienst teil, in­dem sie mög­lichst alle Ver­beu­gun­gen, Ge­sän­ge und lit­ur­gi­schen In­ter­ak­tio­nen sorg­fäl­tigst mit­voll­zie­hen, weil der Stand der Ka­techu­me­nen ja ein Stand des Ler­nens und Ein­übens der Or­thop­ra­xie ist. Im in­ne­ren Tem­pel gel­ten jetzt die strengs­ten Re­geln, und je­der, der dort an­we­send ist, muß selbst­ver­ständ­lich alle Ri­ten und Ver­eh­run­gen (Nie­der­wer­fun­gen, Ver­beu­gun­gen, Ge­be­te, usw.) voll­stän­dig mitvollziehen. 

Nach der früh­christ­li­chen Ar­kan­dis­zi­plin (von lat. Ar­ka­num = hei­li­ges Ge­heim­nis, Mys­te­ri­um) dür­fen sich nur vor­be­rei­te­te or­tho­do­xe Chris­ten wäh­rend der Mys­te­ri­en­fei­er im in­ne­ren Tem­pel auf­hal­ten. Wer im Stand der Sün­de ist oder eine ernst­haf­te Ver­feh­lung nicht recht­zei­tig vor­her beich­ten konn­te, kann eben­falls, als En­er­gu­me­ne, nur im Vor­tem­pel an der Mys­te­ri­en­fei­er teil­neh­men. Das be­deu­tet nach den Er­klä­run­gen der Vä­ter, daß auch die Gläu­bi­gen, die im in­ne­ren Tem­pel blei­ben, nun al­les, was an ih­nen äu­ßer­lich, welt­lich und nicht Gott ge­mäß ist an Ge­dan­ken, Stim­mun­gen, Hal­tun­gen und Er­in­ne­run­gen fort­schi­cken müs­sen. Die Ar­kan­dis­zi­plin sym­bo­li­siert so­wohl das jüngs­te Ge­richt als auch Ent­schei­dung und Rei­ni­gung, wel­che je­der ech­ten Got­tes­be­geg­nung vor­aus­ge­hen müssen.

MYSTERIENTEIL

5) Großer Einzug.

Für­bit­ten und Pries­ter­ge­be­te für die Gläubigen. 

Che­ru­bi­scher Hym­nos und Weih­rauch­dar­brin­gung. Der Chor singt den ers­ten Teil des che­ru­bi­schen Hym­nos „Himm­li­sche Scha­ren der Che­ru­bim bil­den wir im Mys­ter­ion ab, und sin­gen der le­ben­spen­den­den Drei­fal­tig­keit den drei­hei­li­gen Hym­nos, all ir­di­sche Sor­ge laßt fah­ren da­hin.“ Un­ter die­sem Ge­sang bringt der Vor­ste­her, be­glei­tet von Dia­ko­nen und ggf. Licht­trä­gern, im Al­ler­hei­ligs­ten und im gan­zen Tem­pel Weih­rauch dar, was das Na­hen der Gött­li­chen Ge­gen­wart an­zeigt. Da­bei er­in­nert er sich der Grö­ße und Er­ha­ben­heit der nun be­gin­nen­den schau­der­er­re­gen­den Mys­te­ri­en, der Hei­lig­keit Got­tes und bit­tet für sich um Läu­te­rung und um die Ein­wir­kung der Gna­de und Kraft des Hei­li­gen Geis­tes für den hei­li­gen Voll­zug, wo­bei er selbst nicht der wir­ken­de ist, son­dern der­je­ni­ge, durch den Chris­tus, der Sohn Got­tes und himm­li­sche Ho­he­pries­ter selbst, wirkt. In den fol­gen­den Ge­be­ten fin­den sich meh­re­re Bit­ten um Her­ab­sen­dung des Hei­li­gen Geis­tes, die spä­ter in der gro­ßen Her­ab­ru­fung zur Wand­lung (Epi­k­le­se) ih­ren Hö­he­punkt finden.

Gro­ßer Ein­zug. Pries­ter und Dia­ko­ne über­tra­gen nun die vor­ge­hei­lig­ten Op­fer­ga­ben vom Rüst­al­tar zum hei­li­gen Hoch­al­tar. Die­se fei­er­li­che Pro­zes­si­on hat meh­re­re Sym­bo­le­be­nen, de­rer je­der Gläu­bi­ge nun sich er­in­nert und sie in ehr­furchts­vol­ler geis­ti­ger Schau kon­templi­ert. In der Mit­te des Tem­pels ge­den­ken sie der Hier­ar­chen; bzw. wenn ein Bi­schof ze­le­briert, über­rei­chen sie nur die Ga­ben an der Pa­ra­dies­pfor­te dem Bi­schof, und die­ser spricht das Gedenken.

Der Chor singt den zwei­ten Teil des Che­ru­bi­schen Hym­nos „Den Kö­nig des Alls zu emp­fan­gen, ge­lei­tet in den Krei­sen der En­gel un­sicht­bar, Al­le­lu­ja.“, wäh­rend Pries­ter und Dia­ko­ne ins Al­ler­hei­ligs­te zie­hen. Der Vor­ste­her stellt die Ga­ben auf den Al­tar; da­bei wer­den die Kreuz­tü­cher von Kelch und Dis­kos ab­ge­nom­men und bei­des mit dem Wind ver­hüllt und be­weih­räu­chert. Das be­glei­ten­de Ge­bet ent­spricht ei­nem Kar­frei­tags­hym­nos und er­in­nert an Kreuz und Grab des Hei­lan­des. Schließ­lich bit­tet er um den Se­gen für die fol­gen­den hei­li­gen Voll­zü­ge, der mit den Wor­ten des En­gels Ga­bri­els an Ma­ria er­teilt wird „Der Hei­li­ge Geist wird über dich kom­men …“ und die Tü­ren und der Vor­hang der Hei­li­gen Pfor­te wer­den ge­schlos­sen. Letz­te­res ver­weist dar­auf, daß al­les, was für­der ge­schieht, den äu­ße­ren Sin­nen und dem äu­ße­ren Ver­stand un­zu­gäng­lich ist und nun­mehr al­les in geis­ti­ger Schau wahr­ge­nom­men wer­den muß.

Für­bit­ten und Ge­be­te um die An­nah­me der dar­ge­brach­ten Gaben.

6. Glaubensbekenntnis und Friedenskuß

Frie­dens­gruß.

Auf­for­de­rung zum Bekenntnis.

Frie­dens­kuß und Chris­tus­gruß zwi­schen al­len Be­tei­lig­ten (heu­te nur zwi­schen Klerikern)

Glau­bens­be­kennt­nis von Ni­ka­ia-Kon­stan­ti­no­pel, von al­len laut gesprochen.

7. Darbringung und Wandlung (Anaphora)

Wech­sel­ge­sang zwi­schen Pries­ter und Ge­mein­de zum eu­cha­ris­ti­schen Hoch­ge­bet „Hö­ret, stehen wir in Ehr­furcht, ha­ben wir acht, daß wir das hei­li­ge Op­fer in Frie­den vollbringen …“

Gro­ßes Pries­ter­ge­bet (Hoch­ge­bet) zur Dar­brin­gung (Op­fe­rung, Ana­pho­ra) „Wahr­haft wür­dig ist es und recht …“ Die­ses Ge­bet be­ginnt mit dem Lob­preis (Do­xolo­gia) und der Dank­sa­gung (Eu­cha­ris­tia) und mün­det zu­nächst in den En­gel­ge­sang des drei­mal Heilig.

En­gel­ge­sang „ Hei­lig, hei­lig, hei­lig ist Gott, der Her­re Sa­baoth …“, wo­mit alle An­we­sen­den in die Chö­re der En­gel er­ho­ben wer­den, d.h. ihr Be­wußt­sein zur geis­ti­gen Schau und zur Er­kennt­nis­kraft der En­gel er­he­ben sollen.

Ge­den­ken (Er­in­nern, Ana­mne­se) Fort­set­zung des Pries­ter­ge­be­tes zur Dar­brin­gung, Ein­füh­rung der Ein­set­zungs­wor­te und des Auf­tra­ges des Herrn vom Kardonnerstag.

Ein­set­zungs­wor­te, wo­bei der Chor je­des­mal ein me­lis­ma­ti­sches „Amen“ singt. 

Dar­brin­gung der Op­fer­ga­ben an Gott durch Er­he­bung (Ana­pho­ra, Ele­va­tio) der­sel­ben mit über­kreuz­ten Ar­men. Dar­auf singt die Ge­mein­de „Dir sin­gen wir, Dich prei­sen wir, Herr, Dir dan­ken wir und be­ten zu Dir, un­ser Gott“

Wand­lung der Op­fer­ga­ben durch Her­ab­ru­fung des Hei­li­gen Geis­tes (Epi­k­le­se). Der Pries­ter führt das Hoch­ge­bet wei­ter bis zur Her­ab­ru­fung des Hei­li­gen Geis­tes, wor­auf Gott, der Hei­li­ge Geist, selbst die Wand­lung wirkt. Dar­auf ru­fen alle laut drei­mal „Amen“ und wer­fen sich mit der Stirn zu Bo­den, als Ehr­furchts­be­zeu­gung ge­gen Gott, der nun im Fleisch er­schie­nen ist. Die gött­li­che Ge­gen­wart (Sche­chi­na) ist nun leib­haf­tig im Tem­pel gegenwärtig.

8. Gedenken der ganzen heiligen Kirche

Nach der Wand­lung wer­den die bei der Zu­rüs­tung zu­rück­ge­blie­be­nen Tei­le des Wei­he­bro­tes über den hei­li­gen Ga­ben ge­seg­net. Da nun die Ge­burt Got­tes im Flei­sche Ge­gen­wart ge­wor­den ist durch die Wand­lung der hei­li­gen Ga­ben, singt der Chor den Hym­nos der all­hei­li­gen Mut­ter Got­tes „Wahr­haft wür­dig ist es, dich zu ver­herr­li­chen …“ und dar­nach das „Auf die Für­bit­ten Dei­ner Hei­li­gen …“ so­lan­ge, bis die pries­ter­li­chen Ge­be­te be­en­det sind. Der Pries­ter ge­denkt un­ter die­sen Ge­sän­gen des gan­zen my­stischen Lei­bes der Kir­che, an­ge­fan­gen bei der all­hei­li­gen Mut­ter Got­tes, über die En­gel und Hei­li­gen bis hin zu den Hier­ar­chen, dem Alt­va­ter, den an­we­sen­den Gläu­bi­gen und en­det das Ge­den­ken mit den Wor­ten „… in al­lem und für al­les“, wor­auf die Ge­mein­de ant­wor­tet „Für alle und für al­les!“ Da­mit wird an­ge­deu­tet, daß die ge­sam­te Schöp­fung, das All und alle We­sen in ihm durch die­sen hei­li­gen Voll­zug mit­ge­weiht und ge­hei­ligt werden.

9. Vater Unser und Empfang der Gaben (Kommunion)

Frie­dens­gruß.

Für­bit­ten mit Be­zug auf die nun­mehr ge­wan­del­ten Ga­ben und Ein­lei­tung zum Her­ren­ge­bet „Va­ter un­ser …“, das von al­len laut ge­spro­chen, manch­mal auch vom Chor ge­sun­gen wird.

Ver­beu­gung und Beugungsgebet.

„Das Hei­li­ge den Hei­li­gen“ und die Ant­wort der Ver­samm­lung „ Ei­ner ist hei­lig …“ Der Vor­ste­her er­hebt das Lamm über dem Dis­kos, denn „hoch er­ho­ben bist Du über alle Himmel“.

Bre­chung des Lam­mes, Mi­schung von Leib und Blut, und Hin­zu­fü­gung des ko­chen­den Was­sers (Zeon) als Sym­bol der Glut der Lie­be und des Hei­li­gen Geis­tes und zum Zei­chen, daß in den Hei­li­gen Ga­ben der le­ben­di­ge ewi­ge Leib des Herrn, der Auf­er­ste­hungs­leib, ge­gen­wär­tig ist.

Ge­be­te und Ge­sän­ge vor der Kom­mu­ni­on. Die Ge­be­te wer­den von al­len kniend ge­spro­chen; sie sind erst in jün­ge­rer Zeit ein­ge­fügt wor­den und er­in­nern noch­mals an die Wirk­lich­keit, die sich den Gläu­bi­gen nun in Schau und Teil­ha­be mit­teilt. So­dann trägt der Le­ser oder der Chor die Kom­mu­ni­ons­ge­sän­ge oder Psal­men vor. Wäh­rend nun Pries­ter und Dia­ko­ne am Al­tar kom­mu­ni­zie­ren, voll­zie­hen die Gläu­bi­gen (nach der al­ten Sit­te, die heu­te oft nur noch in Klös­tern be­ach­tet wird) ihre Ver­eh­run­gen und stel­len sich, ge­ord­net nach Ge­schlecht und Al­ter, in ei­ner Schlan­ge vor der Hei­li­gen Pfor­te auf.

Öff­nung der Pa­ra­dies­pfor­te, Her­vor­tra­gung des Kel­ches und Kom­mu­ni­on der Gläu­bi­gen. So­bald der Vor­hang ge­öff­net wird, wer­fen sich die Gläu­bi­gen mit der Stirn zu Bo­den, wo­mit sie den nun­mehr er­schie­nen und her­vor­tre­ten­den Herrn be­grü­ßen, und sin­gen das „Ge­lo­bet sei der da kommt im Na­men des Herrn“. Dann er­he­ben sie sich wie­der, stel­len sich in der rech­ten Rei­hen­fol­ge ehr­furchts­voll mit vor der Brust über­kreuz­ten Ar­men auf und sin­gen das „Emp­fan­get den Leib Jesu Chris­ti und trin­ket von dem Quell des ewi­gen Le­bens, Al­le­lu­ja“. Un­ter letz­te­rem Ge­sang tritt je­der ein­zeln her­zu und der Pries­ter reicht je­dem Leib und Blut Chris­ti mit ei­nem Löf­fel. Zu­letzt seg­net der Pries­ter die Ver­samm­lung mit dem er­ho­be­nen Kelch, wen­det sich wie­der zu­rück und setzt den Kelch auf dem Al­ter ab.

10. Rückübertragung zum Rüstaltar und Schluß

Wäh­rend der Pries­ter die Res­te des Op­fer­bro­tes in den Kelch füllt, singt die Ge­mein­de oder der Chor das „Wir ha­ben das wah­re Licht ge­se­hen …“ So­dann tra­gen er und der Dia­kon Kelch und Dis­kos zu­rück zum Rüst­al­tar, wo dann ein Pries­ter oder Dia­kon die üb­ri­gen Ga­ben ver­zehrt und den Kelch sorg­fäl­tig un­ter ent­spre­chen­den Ri­ten reinigt.

Schluß­für­bit­ten.

Am­bo­ge­bet. Hier­zu steht der Pries­ter wie­der auf dem Ambo in der Mit­te des Tempels.

Ab­schlie­ßen­de Wech­sel­ge­sän­ge und Schluß­se­gen. Zu­letzt reicht der Pries­ter je­dem das Se­gens­brot (An­ti­do­ron). Da­bei küßt je­der zu­erst das Kreuz, das der Pries­ter in der lin­ken Hand trägt, dann legt der Gläu­bi­ge die ge­öff­ne­te rech­te in die lin­ke Hand und emp­fängt so das Se­gens­brot aus der rech­ten Hand des Pries­ters, wo­bei er die rech­te Hand des Pries­ter küßt und sich mit ei­ner Ver­beu­gung ent­fernt. Es gibt be­son­de­re mit Kreu­zen ver­zier­te Tü­cher, wel­che die Gläu­bi­gen in die rech­te Hand le­gen, da­mit kei­ne Krü­mel vom Se­gens­brot auf den Bo­den fal­len, was eine Sün­de wäre. Das Se­gens­brot wird auch An­ti­do­ron ge­nannt, „Gabe an­statt“, weil es für die­je­ni­gen, die die Hei­li­gen Ga­ben nicht emp­fan­gen ha­ben, an­stel­le der­sel­ben ge­ge­ben wird.

Dank­ge­be­te. Der Le­ser re­zi­tiert die „Ge­be­te nach der Kommunion“.

Wäh­rend­des­sen ver­zeh­ren die Gläu­bi­gen still ei­nen Teil des Se­gens­bro­tes, ei­nen Teil wi­ckeln sie in das Tuch und neh­men es mit nach Hau­se, um je­den Mor­gen ein Stück­chen da­von zu es­sen und so die gött­li­che Kraft, die von der Mys­te­ri­en­fei­er her dar­in wohnt, auf­zu­neh­men. Die nicht kom­mu­ni­ziert ha­ben, ver­eh­ren die Iko­nen wie ge­wöhn­lich, der Pries­ter legt un­ter ent­spre­chen­den Ge­be­ten die hei­li­gen Ge­wän­der ab.

Man ver­läßt den Tem­pel schwei­gend oder bleibt noch zum stil­len Ge­bet, um die gro­ßen Mys­te­ri­en, de­rer wir ge­wür­digt wur­den, nicht durch Ge­schwätz und Lärm zu verunehren.

An­mer­kun­gen, Un­ter­schie­de zwi­schen Klös­tern und Weltgemeinden

In der Ri­tual­ord­nung (Ty­pi­kon) der Lit­ur­gie gibt es kei­nen Un­ter­schied zwi­schen Klös­tern und welt­li­chen Kirch­ge­mein­den, wohl aber ge­le­gent­lich in der Pra­xis, also der Art und Wei­se, wie die hei­li­gen Hand­lun­gen voll­zo­gen wer­den. Un­ab­hän­gig da­von gibt es star­ke re­gio­na­le und na­tio­na­le Un­ter­schie­de in Ge­sang und Men­ta­li­tät, ab­ge­se­hen von der Spra­che, die oh­ne­hin stets die Spra­che des Vol­kes bzw. des Lan­des ist.

Im Klös­tern ist z.B. grund­sätz­lich elek­tri­sche Be­leuch­tung im Tem­pel ver­bo­ten, weil das na­tür­li­che Licht sei­ne ei­ge­ne Sym­bo­lik hat. Bie­nen­wachs und Öl sind Op­fer­ga­ben, die Gott dar­ge­bracht wer­den, um dann in Öl­lam­pen und Ker­zen als Sinn­bild des gött­li­chen, ewi­gen Lich­tes zu leuch­ten. In den Welt­ge­mein­den hin­ge­gen gibt es heu­te fast über­all elek­tri­sches Licht, weil kaum je­mand mehr die auf­wen­di­ge Pfle­ge der Öl­lam­pen und die ho­hen Kos­ten für ech­te Bie­ne­wachs­ker­zen auf sich neh­men möchte.

In Welt­ge­mein­den wird auf die Be­wah­rung der Ar­kan­dis­zi­plin lei­der oft ver­zich­tet, zu­mal im Wes­ten, nicht nur weil meist kein Vor­tem­pel vor­han­den ist und eine ge­wis­se An­ony­mi­tät be­steht. Auch die Ver­eh­rungs­for­men und Ri­ten der Teil­ha­be der Gläu­bi­gen sind in den letz­ten Jahr­zehn­ten sehr stark zu­rück­ge­gan­gen, nicht zu­letzt, weil ei­ni­ge da­mit an­ge­fan­gen ha­ben, Stüh­le oder Bän­ke in die Kir­che zu stel­len und die Gläu­bi­gen auf den Sta­tus von Zu­schau­ern zu­rück­ge­drängt wer­den. Vie­le Men­schen emp­fin­den das zwar als be­que­me An­nehm­lich­keit, über­se­hen aber da­bei die ent­setz­li­che geis­ti­ge Ver­ödung, die da­mit ein­her geht. Ent­spre­chend ist es in den Kir­chen oft laut, es wird ge­spro­chen, un­nö­tig hin und her ge­lau­fen, so daß es schwie­rig wird, im ei­gent­li­chen Sin­ne am Got­tes­dienst so teil­zu­neh­men, wie es ur­sprüng­lich ge­dacht ist. Dazu paßt es, daß die Men­schen kei­ne an­ge­mes­se­ne Klei­dung tra­gen, man sieht heu­te Män­ner in Jeans, Ar­beits- oder Frei­zeit­kla­mot­ten, manch­mal so­gar Frau­en in Ho­sen und ohne Kopf­be­de­ckung im Tem­pel, was nicht nur im kras­sen Wi­der­spruch zum bi­bli­schen Ge­bot und den gu­ten Sit­ten steht, son­dern vor al­lem eine Ent­wür­di­gung und Be­lei­di­gung des Hei­lig­tums und des Got­tes­diens­tes ist, der da­durch ge­wis­ser­ma­ßen zum be­gaff­ten folk­lo­ris­ti­schen Thea­ter de­gra­diert wird, dem man in­ner­lich fremd ge­gen­über­steht. Klei­dung und Hal­tung sind al­les an­de­re als be­lie­big, son­dern sie ber­gen stets ei­nen Sinn, eine Bot­schaft, und sind, be­wußt oder un­be­wußt, wil­lent­lich oder un­wil­lent­lich, Aus­druck der Hal­tung des je­wei­li­gen Men­schen Gott, dem Hei­li­gen und sei­nen Mit­men­schen ge­gen­über. Vie­le Un­sit­ten re­sul­tie­ren aus Un­wis­sen­heit, sind der all­ge­mei­nen mo­der­nen an­ti­christ­li­chen Men­ta­li­tät und Kon­sum­hal­tung ge­schul­det und dür­fen auf kei­nen Fall als cha­rak­te­ris­tisch für den or­tho­do­xen Kult an­ge­se­hen wer­den; im Ge­gen­teil. Wo die Kir­che um die Men­schen buhlt und es nur dar­um geht, mög­lichst vie­le Be­su­cher zu ha­ben, ent­steht all­zu schnell eine un­an­ge­mes­se­ne Hal­tung („ der Kun­de ist Kö­nig“), die kei­nen Raum mehr für ech­te Hin­ga­be und Re­li­gio­si­tät läßt und dem Men­schen das Wich­tigs­te, näm­lich die An­lei­tung zur Um­kehr und zur Hei­li­gung, vor­ent­hält. Umso ach­tens­wer­ter und kost­ba­rer ist es, wenn trotz des herr­schen­den Zeit­geis­tes in nicht we­ni­gen Kirch­ge­mein­den eine bes­se­re, über­lie­fe­rungs­ge­mä­ße, Hal­tung und Pra­xis ge­lehrt wird.

In tra­di­tio­nell or­tho­do­xen Län­dern ist das, wenn auch nicht mehr über­all, so doch in vie­len Ge­gen­den, noch bes­ser. Ehr­furcht und gute Hal­tung drü­cken sich prak­tisch aus, in­dem die Gläu­bi­gen sich durch stren­ges (oft über die kirch­li­che Re­geln hin­aus­ge­hen­des) Fas­ten, durch Beich­ten, durch Be­mü­hung um Über­win­dung von zwi­schen­mensch­li­chen Kon­flik­ten usw. ernst­haft auf den Emp­fang der Kom­mu­ni­on vor­be­rei­ten und in wür­di­ger Klei­dung zur Kir­che kom­men. Was lit­ur­gisch in den hei­li­gen Voll­zü­gen of­fen­bart und er­fah­ren wird, muß ja durch kon­kre­tes Le­ben in der Ge­mein­schaft und per­sön­li­che Wand­lung und Hei­li­gung, in ei­ner be­son­de­ren Kul­tur geist­li­chen Le­bens, ein­ge­übt und ver­wirk­licht wer­den, denn „der Glau­be ist tot ohne Wer­ke“. Erst wenn al­les, Geist und Le­ben, Kul­tus, rech­te Ord­nung, in­ne­re und äu­ße­re Hal­tung, Wis­sen und Er­kennt­nis, Tun und Las­sen, Ethos, Le­ben, Glau­be und Treue, Be­kennt­nis und Wirk­lich­keit zu­sam­men­kom­men, wird auch der lit­ur­gi­sche Be­reich wirk­lich stim­mig sein, wer­den Form und In­halt, Sein und Be­wußt­sein mit­ein­an­der im Ein­klang ste­hen und Gott und Mensch in hei­li­ger Har­mo­nie zusammenklingen.

Die­se Stim­mig­keit und Har­mo­nie re­sul­tiert nicht al­lein aus dem gu­ten Wis­sen um die lit­ur­gi­schen Zu­sam­men­hän­ge und die lit­ur­gi­sche Sym­bo­lik, nicht al­lein aus dem Wis­sen um den sa­kra­men­ta­len und mys­t­ago­gi­schen Ge­halt und Sinn der Lit­ur­gie, son­dern auch aus der kon­kre­ten Le­bens­ge­stal­tung und dem auf­rich­ti­gen Mü­hen ei­nes je­des Ein­zel­nen um Läu­te­rung und Heiligung.

ORTHODOXE EKKLESIOLOGIE , KURZGEFASST

Die Kir­che ist eine geis­ti­ge Wirk­lich­keit. Sie ver­bin­det Him­mel und Erde, Ewi­ges und Zeit­li­ches. Sie ist eins und un­teil­bar, wie der Leib Jesu Chris­ti ei­ner und un­teil­bar ist. Die Ein­heit der Kir­che ist geis­ti­ger und sa­kra­men­ta­ler Art; sie grün­det in Gott und äu­ßert sich in der Glau­bens­treue und im Le­bens­ethos, wie es sich aus dem gott­mensch­li­chen Mys­te­ri­um ergibt.

Ein­heit der Kir­che im or­tho­do­xen Sin­ne ist im Kern Ein­heit in Gott (Joh. XVII. 20–21). Sie kann nicht auf so­zio­lo­gi­sche oder (kirchen-)politische Struk­tu­ren her­un­ter­ge­bro­chen wer­den. Wo eine ir­di­sche In­sti­tu­ti­on sich zum Maß­stab und An­gel­punkt des «Kir­che-seins» macht, ge­schieht Göt­zen­dienst. Und eine «Ein­heit der Chris­ten» in geis­tig-in­halt­li­cher Be­lie­big­keit ist trü­gen­der Schein. Kir­che muß not­wen­dig ka­tho­lisch, all­be­wah­rend sein, sonst ist sie nicht mehr Kir­che. Doch we­der die Ab­hän­gig­keit von ei­nem ir­di­schen Zen­trum, noch ein po­li­ti­scher Kon­sens ver­mag Ka­tho­li­zi­tät zu ge­währ­leis­ten, son­dern al­lein die Treue zur Hei­li­gen Über­lie­fe­rung. Die­se un­ver­fälscht und un­ver­kürzt zu be­wah­ren und in al­ler Wei­te und Tie­fe (Eph. III. 17–19) von Ge­ne­ra­ti­on zu Ge­ne­ra­ti­on wei­ter­zu­ge­ben bis ans Ende der Zeit ist Auf­ga­be der kirch­li­chen Hier­ar­chie, des Mönch­tums und des gan­zen christ­li­chen Vol­kes (Ple­ro­ma). Al­les dies ge­hört zur Hei­li­gen Über­lie­fe­rung.

Hier auf Er­den, in Raum und Zeit, nimmt die eine hei­li­ge, all­be­wah­ren­de (ka­tho­li­sche) und apos­to­li­sche Kir­che Got­tes in den ver­schie­de­nen Län­dern kon­kre­te Ge­stalt an, in­dem sie sich auf wun­der­ba­re Wei­se über­all mit Spra­che und We­sens­art des je­wei­li­gen Vol­kes ver­bin­det. So ha­ben sich im Lau­fe der Zeit vie­le ei­gen­stän­di­ge or­tho­do­xe Kir­chen­tü­mer ge­bil­det, wie wir sie heu­te als grie­chi­sche, ge­or­gi­sche, bul­ga­ri­sche, rus­si­sche, ser­bi­sche, ru­mä­ni­sche, ja­pa­ni­sche, ame­ri­ka­ni­sche usw.Kir­che ken­nen. In jüngs­ter Zeit ent­wi­ckeln sich in Afri­ka so­wie in Mit­tel- und Süd­ame­ri­ka neue or­tho­do­xe Tra­di­tio­nen und Kir­chen­tü­mer. So ist bei­spiels­wei­se die In­dia­ner­spra­che der Ma­yas or­tho­do­xe Lit­ur­gie­spra­che ge­wor­den. Ge­mäß der Hei­li­gen Über­lie­fe­rung wird seit je­her der Got­tes­dienst in der Volks­spra­che ge­sun­gen. Ein über­zo­ge­ner Na­tio­na­lis­mus frei­lich ist mit der Or­tho­do­xie un­ver­ein­bar. Wo ein Volk, eine Spra­che oder Na­ti­on sich zum al­lei­ni­gen Aus­druck des Or­tho­dox­seins macht, ge­schieht wie­der­um Göt­zen­dienst. Gleich­wohl be­wahrt die or­tho­do­xe Kir­che über­all nicht al­lein den wah­ren Glau­ben, son­dern sie be­wahrt, ver­edelt und hei­ligt zu­gleich Spra­che, Volk und Volks­tum. Das Volk wie­der­um trägt, be­wahrt und ehrt sei­ne recht­eh­ren­de Kir­che. Die­ser le­ben­di­ge Zu­sam­men­hang kann nicht ohne Scha­den für das Gan­ze auf­ge­löst wer­den. Man­che eu­ro­päi­sche Völ­ker sind trotz po­li­ti­scher und kul­tu­rel­ler Un­ter­drü­ckung in Zei­ten der Fremd­herr­schaft al­lein durch das or­tho­do­xe Chris­ten­tum be­wahrt worden.

Die je­wei­li­gen «Kir­chen­tü­mer» (Pa­tri­ar­cha­te, Erz­diö­ze­sen, Orts­kir­chen) sind ent­we­der or­ga­ni­sa­to­risch, recht­lich und in ih­ren In­sti­tu­tio­nen völ­lig ei­gen­stän­dig (au­to­ke­phal), oder nur lose an die je­wei­li­ge Mut­ter­kir­che ge­bun­den (au­to­nom). So­lan­ge die Hei­li­ge Über­lie­fe­rung vor Ort auf al­len Ebe­nen un­ver­kürzt und un­ver­fälscht be­wahrt und ge­lebt wird, sind Ka­tho­li­zi­tät und Ein­heit der Kir­che ge­ge­ben, ohne daß es dazu ir­gend äu­ße­ren Zwan­ges be­dürf­te. Und soll­te in ei­nem Kir­chen­tum die Or­tho­do­xie ernst­haft be­schä­digt wer­den, wie es in die­ser ge­fal­le­nen Welt we­gen der Schwach­heit der Men­schen und durch die Ma­chen­schaf­ten des Bö­sen durch­aus ge­sche­hen kann, so kann dank der de­zen­tra­len Struk­tu­ren von an­de­ren Kir­chen­tü­mern her die Ganz­heit und Un­ver­sehrt­heit der Hei­li­gen Über­lie­fe­rung wie­der­her­ge­stellt wer­den. Hier­zu die­nen auch Syn­oden und Kon­zi­li­en, auf de­nen Ver­tre­ter der ver­schie­de­nen Orts­kir­chen und Kir­chen­tü­mer zu­sam­men­kom­men, aber mehr noch das Le­bens­zeug­nis her­aus­ra­gen­der Hei­li­ger und geis­ti­ger Vä­ter. Über­lie­fe­rungs­treue, Hier­ar­chie, Au­to­no­mie und Syn­oda­li­tät sind un­auf­geb­ba­re Kern­prin­zi­pi­en or­tho­do­xer Ekklesiologie.

WORTERKLÄRUNGEN

IkonenORTHODOX. Das Wort or­tho­dox setzt sich aus den bei­den grie­chi­schen Wör­tern ὄρθος (or­thos) und δόξα (doxa) zu­sam­men. Or­thos be­deu­tet recht, auf­recht, rich­tig, ge­ra­de (ver­glei­che Or­tho­gra­phie, Or­tho­pä­die). Doxa be­deu­tet Ehre, Glanz, Wi­der­schein, Schön­heit, Ruhm, Herr­lich­keit. Or­tho­dox be­deu­tet: [Gott] auf­recht, in rech­ter Wei­se ver­eh­rend, also: recht­eh­rend. Durch auf­rech­te Le­bens­hal­tung und über­lie­fe­rungs­ge­mä­ße Ver­eh­rung und An­be­tung Got­tes in Geist und in Wahr­heit tritt der Mensch her­vor als der­je­ni­ge, der er von Gott her ist, und zu­gleich wird der Glanz, die Schön­heit und die Wahr­heit Got­tes hier auf Er­den sicht­bar und spür­bar. So nimmt die Kir­che Ge­stalt an.

KATHOLISCH. Das Wort ka­tho­lisch setzt sich aus dem grie­chi­schen Prä­fix κάτα- (kata-) und dem Wort ὅλος (ho­los) zu­sam­men. Das Wort­glied kata- bzw. kath’- be­deu­tet ge­mäß und be­zeich­net den Be­zug zu et­was; da­ne­ben ver­stärkt es den Sinn des fol­gen­den Wor­tes und be­deu­tet dann ganz und gar, völ­lig, sehr. Ho­los be­zeich­net eine Ganz­heit, das Gan­ze, (ver­glei­che Ho­lo­gramm). Ka­tho­lisch be­deu­tet so­mit wört­lich: ge­mäß des Gan­zen, ganz­heit­lich, voll­stän­dig. Im la­tei­ni­schen Wes­ten hat es im Zu­sam­men­hang mit der Ent­wick­lung des Papst­ums die Be­deu­tung von all­ge­mein, all­um­fas­send – im so­zio­lo­gi­schen Sin­ne von „Welt­kir­che“ – an­ge­nom­men und be­zieht sich vor al­lem auf die In­sti­tu­ti­on. Die­se Be­deu­tung ist dann, leicht ab­ge­wan­delt, auch im Pro­tes­tan­tis­mus über­nom­men wor­den. Im christ­lich-or­tho­do­xen Ver­ständ­nis be­zieht es sich hin­ge­gen vor al­lem auf die Ganz­heit des gott-mensch­li­chen Le­bens ge­mäß der Hei­li­gen Über­lie­fe­rung und be­deu­tet das Gan­ze, al­les un­ver­kürzt und un­ver­sehrt be­wah­rend, also: all­be­wah­rend.

DEUTSCH. Das Wort deutsch be­zeich­net all­ge­mein die Zu­ge­hö­rig­keit zum Volk. Die go­ti­sche Form war þiudisk ( þ wie th ge­spro­chen), ab­ge­lei­tet von dem Haupt­wort þiu­da (Deutsch­heit, Volk), die frän­kisch-ale­man­ni­sche di­u­tisc, la­ti­ni­siert als theo­dis­cus wie­der­ge­ge­ben. Im 8. Jh. un­ter den Ka­ro­lin­gern wur­de die Be­deu­tung auf volks­spra­chig im Sin­ne von nicht la­tei­nisch, un­ge­bil­det, bar­ba­risch, heid­nisch, hä­re­tisch eingefärbt.

Die äl­tes­te schrift­li­che Über­lie­fe­rung des Wor­tes fin­den wir aber be­reits Mit­te des 4. Jahr­hun­derts. Als Wul­fi­la zwi­schen 335 und 345 die Bi­bel über­setz­te, be­nutz­te er das Wort þiudisk (deutsch) im Sin­ne des Apos­tels Pau­lus für jene „Hei­den“ ( ἐθνοι, Völ­ker, Stäm­me), die Chris­ten ge­wor­den sind, mit Blick auf sei­ne christ­li­chen Ger­ma­nen. In die­sem Sin­ne blieb das Wort jahr­hun­der­te­lang die Selbst­be­zeich­nung der christ­li­chen Reichs­bil­dun­gen ger­ma­ni­scher Stäm­me (vgl. Wolf­ram, Go­ti­sche Stu­di­en). Vom or­tho­do­xen Ver­ständ­nis her wird man das Wort in die­sem äl­test­über­lie­fer­ten und ins Geis­ti­ge wei­sen­den Sin­ne be­nut­zen, wie es ein or­tho­do­xer Alt­va­ter ein­mal for­mu­lier­te: „Deutsch sein be­deu­tet: im Bund mit Gott ste­hen, zu Gott ge­hö­ren“.

DEUTSCHE ORTHODOXIE

Kirche BuchhagenNach­dem die or­tho­do­xen Kir­chen Ost­eu­ro­pas nach Jahr­zehn­ten grau­sa­mer Un­ter­drü­ckung und Ver­fol­gung in un­ge­ahn­ter Wei­se wie­der auf­ge­blüht sind, ha­ben sie auch in Deutsch­land ihre Aus­lands­diö­ze­sen und Ge­mein­den (wie­der-) ge­grün­det. Dort wird der Got­tes­dienst in den ent­spre­chen­den Spra­chen ge­sun­gen und die je­wei­li­ge na­tio­na­le Iden­ti­tät gepflogen.

Ein deutsch-or­tho­do­xes Kir­chen­tum in Form ei­ner Diö­ze­se oder Pa­tri­ar­cha­tes hin­ge­gen be­steht bis­lang nicht. Den­noch gibt es die Deut­sche Or­tho­do­xie als le­ben­di­ge Wirk­lich­keit. Denn im­mer mehr Deut­sche ent­de­cken das or­tho­do­xe Chris­ten­tum als geis­ti­ge Hei­mat, sei es durch Hei­rat ei­nes or­tho­do­xen Ehe­gat­ten, sei es als Er­geb­nis geis­ti­ger Su­che. In vie­len recht­eh­ren­den Kirch­ge­mein­den wer­den in­zwi­schen Tei­le des Got­tes­diens­tes auch auf deutsch ge­hal­ten. Ein Bei­spiel für die stim­mi­ge Ver­bin­dung des or­tho­do­xen Chris­ten­tums mit deut­scher Spra­che und deut­schem Geist ist, ne­ben an­de­ren, das Hei­li­ge Drei­fal­tig­keits­klos­ter im We­ser­berg­land. So tritt die Ent­fal­tung ei­ner deutsch-or­tho­do­xen Tra­di­ti­on all­mäh­lich ins all­ge­mei­ne Bewußtsein.

So ist “Deut­sche Or­tho­do­xie” nichts an­de­res als die eine, ur­alte, un­teil­ba­re Kir­che in deut­scher Spra­che und Ge­stalt, wie sie der deut­schen See­le ent­spricht – so wie die Or­tho­do­xie seit je­her über­all Spra­che und We­sens­art der ver­schie­de­nen Völ­ker an­ge­nom­men hat, un­ter treu­er Wah­rung der Un­ver­sehrt­heit und Ganz­heit der Hei­li­gen Über­lie­fe­rung (Ka­tho­li­zi­tät). In die­sem all­ge­mei­nen Sin­ne der In­kul­tu­ra­ti­on spre­chen wir hier von “rus­si­scher Or­tho­do­xie, grie­chi­scher, ge­or­gi­scher, bul­ga­ri­scher, ru­mä­ni­scher usw. und eben auch von deut­scher Or­tho­do­xie”. Da­bei spielt die Spra­che eine ent­schei­den­de Rolle.

Deut­sche Or­tho­do­xie lebt in al­len ernst­haf­ten recht­eh­ren­den Chris­ten, de­nen deut­sche Spra­che und Kul­tur wich­tig sind – sei es, weil sie von Her­kunft Deut­sche sind und es auch als or­tho­do­xe Gläu­bi­ge zu blei­ben ge­den­ken, oder sei es, weil ihre Vor­fah­ren aus or­tho­do­xen Völ­kern stam­men, sie sel­ber aber Deutsch als Mut­ter­spra­che spre­chen, sich in der deut­schen Kul­tur wohl und hei­misch füh­len und zu­gleich dem or­tho­do­xen Glau­ben treu blei­ben (oder ihn für sich wie­der­ent­de­cken) möchten.

KreuzGe­schicht­lich fin­den sich vie­le Hin­wei­se dar­auf, daß das or­tho­do­xe Chris­ten­tum ur­sprüng­lich bei fast al­len ger­ma­ni­schen Stäm­men ver­brei­tet ge­we­sen ist. Schon im zwei­ten Jahr­hun­dert spricht der Hei­li­ge Ire­n­äos v. Lyon von den „in Ger­ma­ni­en ge­grün­de­ten Kir­chen“, de­ren Treue zur or­tho­do­xen Über­lie­fe­rung er her­vor­hebt (Ge­gen die Hä­re­si­en I, 10,2).

Die ers­te deut­sche Bi­bel­über­set­zung ent­stand in den Jah­ren um 340 n. Chr. in den Ost­kar­pa­ten und bei Tirn­o­wo im heu­ti­gen Bul­ga­ri­en, näm­lich die Wul­fi­la­bi­bel in go­ti­scher Mund­art, de­ren letz­tes er­hal­te­nes Ex­em­plar im schwe­di­schen Up­sa­la auf­be­wahrt wird. Das Go­ti­sche ist da­mals über­all in Mit­tel- und Nord­eu­ro­pa pro­blem­los ver­stan­den worden.

Auch die Go­ten nann­ten ihre Spra­che thiudisk (deutsch). Thiudis­ker or­tho­do­xer Got­tes­dienst ist für Nord­bul­ga­ri­en / Do­brud­scha bis ins 9. Jh., für die süd­li­che Krim bis ins 16. Jahr­hun­dert in Res­ten greif­bar bzw. in Ge­schichts­quel­len er­wähnt, für Thü­rin­gen und Bay­ern bis ins 8. Jh. er­schließ­bar. In Bul­ga­ri­en und Ruß­land sind in jüngs­ter Zeit be­deu­ten­de his­to­ri­sche Un­ter­su­chun­gen zum frü­hen ger­ma­nisch-or­tho­do­xen Chris­ten­tum in je­nen Län­dern ver­öf­fent­licht wor­den, die ein Licht auf die ur­sprüng­li­che christ­li­che geis­ti­ge und kul­tu­rel­le Ein­heit des gan­zen Eu­ro­pa von Ir­land bis zum Kau­ka­sus, über die Zeit der Völ­ker­wan­de­rung hin­aus bis ins frü­he Mit­tel­al­ters wer­fen (La­za­ro­va, Mi­lev, Iva­nov, Wo­ron­zov, Ki­zi­l­ov u. v. a.). Durch wei­te­re For­schun­gen in die­sem Be­reich wird sich das west­li­che Ge­schichts­bild, wel­ches stets ei­nen selt­sa­men Ver­drän­gungs­bo­gen um den christ­li­chen Os­ten schlug, im al­ler­bes­ten Sin­ne wei­ten und verändern.

So er­weist sich die Deut­sche Or­tho­do­xie als ein all­zu lan­ge ver­ges­se­ner Ast am Baum der ur­sprüng­li­chen recht­eh­ren­den Kir­che, der zwar vor rund 1000 Jah­ren durch die la­tei­ni­sche Über­frem­dung mehr oder we­ni­ger ab­ge­schnit­ten ward, nun aber wie­der neu ins Le­ben drängt. Da­bei geht es nicht in ers­ter Li­nie dar­um, In­sti­tu­tio­nen und Ver­ei­ni­gun­gen zu grün­den, schon gar nicht dar­um, Ein­fluß und Macht über an­de­re zu ge­win­nen – das al­les ist «Welt» und dem Geis­te fern. Viel­mehr geht es dar­um, die Or­tho­do­xie als Ehre, Glanz und Schön­heit (doxa) von Gott her auf­recht und ge­ra­de (or­thos) «thiudisk», auf deutsch zu le­ben, in al­ler De­mut und Ein­fach­heit, aber tief­ge­grün­det und treu, in geis­ti­ger Un­ter­schei­dung, mit Klar­heit und ed­ler Wür­de, wie sie der Hei­lig­keit Got­tes und Sei­ner Kir­che ziemt, und wie sie dem von Gott her und in Gott le­ben­den Men­schen seit je her ei­gen ist. Die wah­re Re­li­gi­on ist nun ein­mal kei­ne Sa­che von Men­schen, nichts, was man „ma­chen“ könn­te; und sie ist kei­ne Sa­che der Psy­cho­lo­gie oder der Mode. Sie blüht aber in de­nen, die Gott treu sind in al­lem, auch wo es schwie­rig wird, und die wir da­her zu recht als «Hei­li­ge» ver­eh­ren. Sie grün­det in der Ewig­keit. Sie kommt von Gott, sie führt zu Gott und sie ruht in Gott, dem Va­ter und dem Soh­ne und dem Hei­li­gen Geis­te, der we­sens­einen und un­teil­ba­ren Drei­fal­tig­keit. Ihm ge­bührt alle Ehre, Lob und Ge­sang, in Zeit und in Ewig­keit. Amen.